Alnatura – Erfolgreich auf dem Holzweg
Der Weg in das weltgrößte Hochregallager aus Holz führt seit zwei Jahren über Zeitfenstermanagement (ZFM). Der Bio-Lebensmittelhändler Alnatura ist der Gegenentwurf zu Lidls Bezahlrampe und zeigt, dass eine effiziente Organisation nichts mit hohen Gebühren zu tun hat.
„Wirbel um Rampenservice“, „Kampf an der Zentrallagerrampe“. So oder ähnlich negativ lauten die Schlagzeilen, wenn es um die Zentrallager des Lebensmittelhandels geht. Den vorläufigen Tiefpunkt markiert der Feldversuch von Lidl, anliefernde Spediteure für die Entladung durch das Discounter-Personal mit 40 Euro und außerhalb der Öffnungszeiten mit 100 Euro extra zur Kasse zu bitten, obwohl die Entladung an der Rampe genau genommen Sache des Empfängers ist.
„Man muss sich entscheiden, ob Zeitfenstermanagement eine verdeckte Einnahmequelle oder ein Effizienzinstrument sein soll“, sagt Simon Schmitt, Abteilungsverantwortlicher Supply Chain Operations und Herr über 36 Rampen bei der Alnatura Produktions- und Handels GmbH.
Auch bei dem Bio-Lebensmittelhändler führt der Weg ins Verteilzentrum Lorsch seit drei Jahren über ein Zeitfenstermanagementsystem, von kostenpflichtigen Zusatzservices hält man dort allerdings wenig. Alnatura trägt die Buchungsgebühr von gerade einmal 50 Cent pro Slot sogar selbst, Spediteure zahlen grundsätzlich keinen Cent. Nicht allein, weil man etwas zu verschenken hätte, sondern weil man überzogene Buchungskosten von bis zu 2,50 Euro oder kreative Sondergebühren aus Effizienzerwägungen für kontraproduktiv hält. So etwas verhindere eine echte Optimierung der Supply Chain und würden von den Dienstleistern über Preiserhöhungen sowieso wieder an Alnatura zurückgespielt, weiß Schmitt. Das Problem werde zusammen mit einer Menge Bürokratie und Ärger lediglich zum Einkauf verschoben, wo es angesichts der gestiegenen Frachtpreise dem Unternehmen ganzheitlich betrachtet eher schadet, sagt Schmitt.
Alnatura ist bekannt für einen partnerschaftlichen Umgang mit Lieferanten und Dienstleistern. „Es widerspricht unserer Philosophie, Dienstleister ungerechtfertigt zu belasten und bei uns gibt es auch keine Erziehungsmaßnahen, wenn jemand zu spät an der Rampe ist,“ sagt Schmitt. Sowohl der Lagerdienstleister als auch die Spediteure müssen ihren Personaleinsatz vernünftig planen können.
Probleme und mögliche Lösungen werden deshalb in einem eigens eingerichteten Dienstleister-Roundtable diskutiert und beschlossen. Dies betrifft die Einrichtung von Sozialräumen und vergünstigte Getränke ebenso wie die Prozesse an der Rampe.
Prima Klima im Hochregal
Alnatura ist einer der größten Bio-Händler Deutschlands. Das im Jahr 1984 gegründete Unternehmen beschäftigt 3.070 Mitarbeiter und hat im Geschäftsjahr 2017 einen Jahresumsatz von 770 Millionen Euro erwirtschaftet. Aus dem Verteilzentrum im südhessischen Lorsch, das von Müller – die lila Logistik bewirtschaftet wird, werden über 130 eigene Super Natur Märkte in 62 Städten bundesweit und mehr als 12.000 Filialen der Handelspartner beliefert.
Das Lager selbst ist ein klimaneutrales Schmuckstück, das bestens gedämmt 2,5 Meter tief in der Erde steht und deshalb ohne Heizung noch Kühlung auskommt. Es steht auf einer Fläche so groß wie ein Fußballfeld und ragt fast 18 Meter in die Höhe. Es bietet auf acht Ebenen und in neun Gassen von je 120 Metern Platz für 32.000 Paletten. Außenhaut und Regale bestehen zu 100 Prozent aus PEFC-zertifiziertem Fichtenholz, insgesamt wurden 5.000 Kubikmeter Holz verbaut.
Neben dem automatischen Holz-Hochregallager bietet ein manuelles Regallager Platz für weitere 15.000 Paletten. Auf einer Fläche von zusammen 30.000 Quadratmetern lagern von Ahornsirup bis hin zu Zwieback fast 1.100 Produkte der Marke Alnatura und 2.700 Artikel von Naturkostfachmarken.
Täglich 130 Lkw an 36 Rampen
Der Bio-Lebensmittelhändler organisiert die Transportlogistik in Eigenregie und kooperiert bei der Selbstabholung von 240 Abholstellen der Produzenten mit 17 vorwiegend kleinen und mittelständischen Logistikdienstleistern. Täglich entladen dort 50 Mitarbeiter im Wareneingang zwischen 40 und 60 Lkw mit bis zu 2.000 Paletten, im Warenausgang gehen 50 bis 70 Lkw mit bis zu 2.400 Paletten ab.
Die Entscheidung, ein Zeitfenstermanagementsystem einzusetzen, fiel 2015. „Unser Fokus war ein professionelles Zeitfenstermanagement für unsere Rampen im Warenein- und -ausgang. Wir wollten keinen Bauchladen mit vielen Nice-to-have-Optionen, sondern haben nach einer stabilen und wirtschaftlichen Lösung gesucht, die wir mit geringem Schulungsaufwand leicht auf unsere Bedürfnisse anpassen können“, nennt Schmitt die Auswahlkriterien. Nach einem Systemvergleich der einschlägigen Anbieter machte das webbasierte „SLOT“-System des Freiburger Softwarehauses Cargoclix das Rennen. Nach einer dreiwöchigen Anpassung an Alnatura, wurden die Spediteure durch Cargoclix über das Verfahren informiert und das System Ende 2016 scharf geschaltet.
Die Warenannahme sowie die Lkw-Beladung im Versand erfolgt seither ausschließlich nach vorheriger Einbuchung in SLOT. Das Prinzip ist einfach: Alnatura stellt seine freien Ladetermine für insgesamt 36 Rampenplätze in das System ein und die Speditionen buchen ihre Wunschzeiten. Im Wareneingang können Slots zwischen 6 und 18.30 Uhr und im Warenausgang zwischen 6 und 22 Uhr, jeweils bis zum Vortag gebucht werden. Gebucht wird auf der Basis des Transportauftrages und die Slotlänge bemisst sich nach der Palettenzahl. Ein Zeitfenster ist Pflicht, dafür stellt der Händler im Gegenzug ausreichend Rampenkapazitäten zur Verfügung.
Transparenter, freundlicher, schneller
Für Schmitt ist der größte Vorteil das Plus an Transparenz für alle Beteiligten. Starre Excellisten sind Vergangenheit, genauso wie die Diskussionen mit den Disponenten. Die Umgangsformen hätten sich signifikant verbessert und die Wartezeiten seien minimal. „Früher wurde im Dienstleister-Roundtable eine Stunde über Zeitfenster gestritten, heute wird es kurz angesprochen, und das war´s“, berichtet der Logistiker.
Das sich auch mit dem besten Zeitfenstermanagement-System nicht alle Probleme lösen lassen, betont Prof. Dr. Victor Meier, Beratender Gesellschafter von Cargoclix. „Der Schlüssel zu einer organisierten Rampe ist Zeitfenstermanagement, der Schlüssel zu einer besseren Rampe sind die Einstellung und eine kluge Organisation“, rät er. Die erfolgreichsten Rampen seien immer um einen fairen Interessenausgleich bemüht.
Aus diesem Grund hat Alnatura nicht nur einfach Zeitfenstermanagement-System eingeführt, sondern darüber hinaus drei Arten von Rampen eingerichtet: An der Slow Lane wird konventionell auf die Fläche entladen. Die Palettenqualität und -anzahl sowie Schäden werden geprüft, der Fahrer erhält seine Papiere und kann weiterfahren.
Um die Abfertigungszeiten zusätzlich zu verkürzen, wurde eine „Fast Lane“ geschaffen. Dort werden Paletten von Lieferanten mit besonders hoher Lieferqualität vom Lkw direkt auf die Fördertechnik aufgesetzt, beim Entladen geprüft und ins Hochregallager eingelagert.
So klappt´s auch mit der Selbstentladung
Als überraschend beliebtes Flexibilitätsinstrument entpuppte sich ausgerechnet die Einführung einer optionalen Selbstentladerampe. Dass die Entladung auf die Fahrer abgewälzt wird, erhitzt seit Jahren die Gemüter. Laut einem vom Bundesamt für Güterverkehr im vorgelegten Bericht zur Situation an den Laderampen, müssen 90,6 Prozent aller Fahrer ihren Lkw selbst entladen. Kommt ein Fahrer beispielsweise vier Stunden vor dem gebuchten Zeitfenster, kann er selbst entladen, muss aber nicht.
Die meisten Fahrer nutzen die Option, um schneller wieder unterwegs zu sein. Alnatura verschafft das wiederum Luft, um verspätete Lkw doch noch einschieben zu können. So profitieren alle. „Bei uns gibt es keine Erziehungsmaßnahen, wenn jemand zu früh oder zu spät ist“, sagt Schmitt. Man könne es nie allen gleichzeitig recht machen, aber man müsse immer im Fokus haben, was den Spediteuren hilft.
„Die Spediteure würden Zeitfenster am meisten vermissen“
Den Vorwurf, die Einführung von Zeitfenstermanagement habe den Spediteuren generell keinen Nutzen gebracht, kann Schmitt nicht nachvollziehen. Im Gegenteil: Das gefühlte Paradies ohne Zeitfenster habe nie funktioniert, weil alle gleichzeitig zwischen sechs und acht abladen wollten. Jedes Handelslager hat eine bestimmte Kapazität und selbst mit mehr Personal sei die Technik gar nicht in der Lage, ein so gigantisches Aufkommen in zwei Stunden abzuarbeiten. „Zeitfenstermanagement hat aus diesem Chaos einen planbaren Prozess gemacht. Ich garantiere ihnen, würde man Zeitfenster abschaffen, die Spediteure wären die ersten, die es vermissen würden.“.
Hintergrund: CARGOCLIX ist ein neutraler Internetmarktplatz für die elektronische Ausschreibung von Transporten und Logistikleistungen sowie ein Anbieter von modularen Zeitfenstermanagement-Systemen.
Die Dienstleistungspalette der Logistikplattform „CARGOCLIX TENDER“ umfasst weltweite Ausschreibungen von Kontrakten für Transporte auf Straße, Schiene, Luftfracht, See- und Binnenschifffahrt, Kurier-Express-Paketdienstleistungen sowie Logistikdiensten, wie zum Beispiel Lagerei. Mit über 28.000 registrierten Mitgliedern aus Industrie, Handel und Spedition gehört TENDER zu den führenden internationalen Ausschreibungsplattformen für Transport und Logistik.
Zentrales Produkt des Geschäftsbereichs Zeitfenstermanagement ist die modular anpassbare Software „CARGOCLIX SLOT“ zur Optimierung der Abläufe an der Rampe. Mit mehr als 30.000 Mitgliedern ist TimeSlot eines der meist genutzten Zeitfenstermanagement-Systeme.
CARGOCLIX ist eine Marke der Dr. Meier & Schmidt GmbH. Das Unternehmen wurde 1998 in Niefern bei Pforzheim gegründet und hat heute seinen Sitz in Freiburg i.Br.
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